Warum der BVB nicht Meister werden wird – Ein Interview mit Thomas A. M. Windelschmidt

Warum der BVB nicht Meister werden wird – Ein Interview mit Thomas A. M. Windelschmidt

SND: Ich begrüße ganz herzlich Thomas A. M. Windelschmidt, der u.a. als Der Counselor“, als „Der Unterbewusstseinscoach“, sowie als Mentalitätscoach aktiv ist. Wir wollen heute über Ihre wissenschaftliche und coachende Arbeit sprechen, sowie über Ihre vor vielen Jahren getätige Prognose, dass der BVB kein Meister werden kann. Habe ich dies korrekt beschrieben?

TW: Ja, vielen Dank für die Einladung. Im Prinzip ist das korrekt, wobei es eine Momentaufnahme war, die allerdings bis heute zählt. Wichtig ist zu verstehen, dass meine Arbeit ihren Schwerpunkt auf der Unterbewusstseinsebene hat und nur zu einem geringeren Teil im Mentalbereich, also auf der Bewusstseinsebene. Auf den BVB kommen wir bestimmt noch zu sprechen.

SND: Ja, zum BVB kommen wir später. Eingangs die Frage: Wie kann man das verstehen? Was machen Sie anders als Mentaltrainer oder Mentalcoaches? Was ist diese Unterbewusstseinsebene, von der Sie sprechen?

TW: In der Psychologie spricht man vom Unterbewusstsein, dem Wachbewusstsein und dem Überbewusstsein. Alles das, was wir gerade denken, geschieht im Wachbewusstsein. Demgegenüber steuert unser Unterbewusstes weit mehr als 99% unseres Lebens. Wir könnten die vielen Informationen, die unsere Sinne aufnehmen, bewusst gar nicht verarbeiten. Unser Bewusstsein ist geradezu dumm, es kann noch nicht einmal gleichzeitig an die Farbe Grün und an die Ziffer drei denken. Es geht nur alternierend. Demgegenüber ist unser Unterbewusstes, die meisten sagen Unterbewusstsein, ein Hochleistungscomputer, der Unmengen an Informationen gleichzeitig aufnehmen und verarbeiten kann. Mentaltrainer, die in erster Linie auf der Bewusseinsebene z.B. mit Sportlern arbeiten, gibt es unfassbar viele. Für mich ist dieser Ansatz jedoch nicht nachhaltig genug. Mein Schwerpunkt ist eine zielorientierte Beeinflussung z.B. von Sportlern auf der Unterbewusstseinsebene.

SND: Warum ist die Beeinflussung des Unterbewusstseins nach Ihrer Einschätzung so wichtig?

TW: Es geht nicht um meine Einschätzung. Ganz im Gegenteil weiß die Psychologie schon lange, dass der Schwerpunkt unseres Handelns und unserer Überzeugungen im Unterbewussten verankert ist. Bereits im Mutterbauch und anschließend in den ersten frühkindlichen Jahren werden durch Gefühle und äußere Eindrücke die Grundlagen für das eigene Selbstbild und die zukünftigen Glaubenssätze gelegt. Und diese Bilder, Emotionen und Überzeugungen werden im Unterbewussten abgespeichert. Auf der Bewusstseinsebene kann man sich daran später nicht mehr erinnern.

SND: Und eine Beeinflussung von solchen Überzeugungen, d.h. eine Beeinflussung des Unterbewussten, ist möglich?

TW: Es ist genau andersherum. Es ist unmöglich, das Unterbewusste nicht kontinuierlich zu beerinflussen. Jedes Wort, jedes Bild, jede Emotion hat unweigerlich sofort Auswirkungen auf einen Menschen. Alles manifestiert sich im Unterbewussten. Wenn man fortwährend negative Erfahrungen macht, wird dies quasi als selbsterfüllende Prophezeiung zum eigenen Selbstbild werden. Wenn man jeden Tag negative Nachrichten konsumiert, z.B. via Radio, Zeitung, Zeitschrift, TV, Internet usw., wird man in eine negative Abwärtsspirale gezogen. Man sieht nur noch das Schlechte. Deshalb empfehle ich jedem, insbesondere Sportlern, möglichst keine negativen Nachrichten zu konsumieren und auf soziale Medien, ich spreche von asozialen Medien, zu verzichten. Umgekehrt verhält es sich zum Glück genauso. Man kann es sehr leicht selbst testen. Wenn man sich mit einem speziellen Autotypen beschäftigt, egal welches Modell, wird man mit einmal genau diese Fahrzeugmodelle im Straßenverkehr sehen. Das nennt sich das „Gesetz der Anziehung“ oder das „Gesetz der Resonanz.“ Das Unterbewusste sorgt dafür, dass man genau das im Fokus hat, womit man sich verstärkt beschäftigt. Also erscheint es mir sinnvoll, dass man sich ausschließlich nur noch mit Positivem beschäftigt und auf das Ziel fokussiert.

SND: Und wie ist eine positive oder, wie Sie sagen, zielorientierte Beeinflussung des Unterbewusstseins möglich?

TW: Wenn man erst einmal verstanden hat, dass es unmöglich ist, das Unterbewusste nicht zu beeinflussen, dann stellt sich genau diese Frage. Wie ist es möglich, das Unterbewusste positiv und zielorientiert zu beeinflussen? Genau hierüber habe ich mehrere Bücher verfasst, und es gibt Unmengen an Informationen auf meinen Webseiten. Aber soviel kann ich hier dazu sagen. Das Wichtigste ist, dass es das Wachbewusstsein nicht „merkt„, dass man das Unterbewusste zielorientiert beeinflussen möchte. Denn das ist die Krux. Das Wachbewusstsein erkennt das dann sofort und unternimmt alles, um die positiven Auswirkungen zu torpedieren. Die Glaubenssätze wie „Ich bin es nicht wert“ oder „Ich kann das nicht“ oder „Das wird sowieso nichts“ sind geradezu die Polizeizugangskontrollen zum Unterbewussten. Daran vorbeizukommen ist etwas tricky. Wäre es einfach, würde es jeder anwenden.

SND: Wie meinen Sie das? Was ist tricky? Was kann man tun? Was ist die wichtigste Voraussetzung? Und warum ist es eher schwierig?

TW: Nun, der wirklich wichtigste Punkt ist, dass das Wachbewusstsein „ausgeschaltet“ ist oder zumindest „abgelenkt“ ist. Wenn ich Techniken anwende, um bei Sportlern ein verändertes Selbstbild zu erreichen oder einen Mentalitätsbooster im Unterbewussten platzieren möchte, dann darf der Sportler keine Ahnung haben, was ich gerade vorhabe. Er sollte nicht wissen, dass ich überhaupt etwas tue. Darum werden immer vorab Verschwiegenheitsvereinbarungen mit den Entscheidern unterzeichnet. Ich arbeite quasi „im Geheimen“. Niemand darf es wissen. Sobald die Presse oder die Spieler davon etwas mitbekommen, stelle ich meine Arbeit ein.

SND: Und was können Sie tun, wenn Sie beauftragt werden, z.B. bei einem Sportler oder bei einer Mannschaft, positive Effekte auszulösen, z.B. einen Mentalitätsboost?

TW: Es gibt tatsächlich erstaunlich viele Möglichkeiten. Entscheidend ist, wie gesagt, das Wachbewusstsein runterzufahren. Dies kann z.B. auch durch eine tranceinduzierte Tiefenentspannung geschehen, wie ich es bei meinem Konzept „Mentalboosting“ entwickelt habe. Es helfen aber auch kleine Tricks, z.B. überall positive Glaubenssätze zu platzieren, viele Displays mit emotionalen Highlights auf dem Trainingsgelände zu positionieren oder ganz banal alles positiv auszudrücken. Führung mit Respekt und Wertschätzung funktioniert sehr viel besser als mit Angst.

SND: Vielleicht sind wir jetzt schon an der Stelle, den BVB anzusprechen. Sie sind bekennender BVB-Fan, haben aber trotzdem im Januar 2019 gesagt, dass der BVB nicht Meister werden wird, obwohl er zum damaligen Zeitpunkt mit Lucien Favre als Trainer neun Punkte Vorsprung vor dem FC Bayern hatte. Wie kamen Sie damals auf diese für alle Außenstehenden sehr überraschende Einschätzung?

TW: Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Lucien Favre, den ich als Trainer sehr schätze, hatte den BVB auf Platz 1 der Bundesliga geführt. Es kam der 20. Spieltag 2018/19. Leverkusen gewann gegen München 3:1, der BVB spielte in Frankfurt 2:2. Dortmund hatte 14 Spieltage vor Schluss neun Punkte Vorsprung. Und ich sagte damals trotzdem, dass der BVB an diesem 20. Spieltag die Meisterschaft verspielt hatte. Jeder Fußballexperte guckte mich völlig verständnislos an. Meine Erklärung war folgende. Als es in Frankfurt 2:2 stand und Leverkusen vorne lag, machte Lucien Favre eindeutige Handzeichen zu seinen Spielern, das Spiel zu beruhigen und zu verlangsamen. Seine Intention war, dass ein Untentschieden reicht. Als ich das gesehen habe, war ich fassungslos und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Ein echtes Sieger-Gen sieht anders aus. Ich bin noch heute davon überzeugt, dass der BVB 2019 Meister geworden wäre, wenn Lucien Favre aus voller Überzeugung heraus den Spielern signalisiert hätte, dass sie immer auf Sieg spielen und auch in Frankfurt Vollgas geben sollen. Stattdessen machte sich bei den Spielern unterbewusst das Gefühl breit, dass ein Unentschieden reicht. Im Folgespiel zuhause gegen die TSG Hoffenheim führte der BVB bereits 3:0 und hätte fast das 4:0 gemacht, als der TSG der Anschlusstreffer gelang und der BVB in der Schlussviertelstunde den sichergeglaubten Sieg verspielte. Es passierte genau das, was ich eine Woche zuvor prophezeit hatte. Danach ging es, wie von mir vorhergesagt, bergab und Bayern München wurde Meister. Dieses Selbstverständnis erkannte ich später auch in einer Amazon-Doku über den BVB. Ich sahe, wie Lucien Favre vor der Mannschaft stand und sinngemäß sagte: „Ihr müsst ein Team sein.“. „Müssen“ ist ein ganz negatives Hilfsverb. Und das Wort „Ihr“ führt zu einer Trennung zwischen Trainer und Mannschaft. Außerdem wirkt der Satz zukunftsgewandt und nicht das das „Hier und Jetzt“ ausgerichtet. Viel besser wäre es gewesen zu sagen: „Wir sind ein Team, und wir schaffen alles, was wir gemeinsam anpacken und mit aller Kraft wollen.“

SND: Haben Sie das verlorene Finale der Saison 2022/23 auch kommen sehen, also das 2:2 gegen Mainz bei einem gleichzeitigen Sieg der Bayern?

TW: Ja, leider. Ich war am Tag mit meiner Frau zuvor bei Freunden. Ich wurde gefragt, was ich für das Spiel gegen Mainz erwarte. Meine Antwort war, dass aus der Ferne schlecht einschätzen kann, wie Edin Terzić die Mannschaft einstellt, aber zumindest die Außerdarstellung fand ich sehr überzeugend. Konzentriert arbeiten und nicht vom möglichen Titel ablenken lassen usw. war die richtige Herangehensweise. Was in der Kabine passiert, entzieht sich meiner Kenntnis. Trotzdem wies ich auf das fragile Gebilde hin und darauf, dass der BVB einige Spiele in der Rückrunde nur sehr glücklich gewonnen, sowie bei einigen Spielen völlig unnötig Punkte liegengelassen hatte. Ich erklärte, dass es im Gegensatz z.B. zu den Meisterschaftsjahren unter Ottmar Hitzfeld, Matthias Sammer und Jürgen Klopp kein gefestigtes Team ist. Meine Prognose war, dass Mainz 0:1 in Führung geht und dann die Gefahr besteht, dass ein 0:2 folgt. Und falls das passieren sollte, so war ich sicher, würde sich die Mannschaft extrem schwer tun, das Ruder rumzureißen. Aber nicht, weil den Spielern die Fähigkeiten fehlen würden, sondern weil ganz tief im Unterbewussten die absolute Überzeugung und vor allen das Selbstverständnis fehlten.

SND: Ist das die Mentalitätsfrage, die man beim BVB nicht gerne hört?

TW: Es kommt darauf an, wo man Mentalität verortet. Ich glaube schon, dass die Spieler alles geben wollten, denn die Chance auf eine Meisterschaft bekommt man nicht jedes Jahr. Aber wenn ganz tief im Unterbewussten die absolute Überzeugung fehlt, das Vertrauen darauf, dass man alles schaffen kann und wird, so wie es Bayern München oder Real Madrid vorleben, dann kann das kleinste Hindernis, z.B. der Ausfall von Jude Bellingham, oder ein nicht erwarteter Rückschlag, z.B. ein 0:1, für ein Auseinanderbrechen sorgen. Genau das haben wir erlebt und erleben wir auch jetzt.

SND: Meinen Sie, dass der BVB trotz der guten Verstärkungen auch dieses Jahr nicht Meister werden wird? Die ersten drei Spiele waren doch ganz ok, oder?

TW: Ja, leider, davon bin ich überzeugt. Und ganz ok reicht leider nicht, wenn man Meister werden will. Ich habe schon vor der Saison gesagt, dass der BVB weiterhin ein fragiles Gebilde darstellt. Optimisten sprachen von einem Start mit neun Punkten aus den ersten drei Spielen. Daran habe ich zu keiner Sekunde geglaubt. Gegen Köln war es pures Glück, dass der BVB gewonnen hat. In Bochum war es ähnlich wie letzte Saison und gegen Heidenheim in der zweiten Halbzeit ein Trauerspiel. Die Zuschauer haben zu recht gepfiffen. Dabei geht es gar nicht um das Ergebnis an sich, es geht um die Art und Weise des Zustandekommens. Wäre ich beim BVB involviert, würde ich alles dafür tun, ein echtes Sieger-Gen, eine Gier nach Erfolg zu entfachen. Matthias Sammer ist für mich das beste Beispiel beim BVB. Er erinnert mich an meine sportliche Zeit. Wenn ich im Squash-Court stand, bin ich lieber kollabiert, als einen Ball verloren zu geben. Wenn es 8:0 für mich stand, wurde ich fuchsteufelswild, wenn ich einen Ballwechsel verloren habe, denn ich wollte unbedingt 9:0 gewinnen. Dass irgendwann niemand mehr mit mir spielen wollte, war naturgemäß die logische Folge. Auf den BVB übertragen heißt das, dass ich dazu anleiten würde, auch wenn es 2:0 steht weiter Vollgas zu geben, um das 3:0, das 4:0 und das 5:0 zu machen. Und falls doch mal ein Gegentor fällt, was es mit aller Macht zu verhindern gilt, würde ich die Spieler so geimpft haben, dass daraus die Motivation resultiert, als Dankeschön an die gegnerische Mannschaft mindestens zusätzliche 2 Tore zu schießen, anstatt zu hoffen, irgendwie das Untentschieden zu vermeiden, wie es gegen den Aufsteiger Heidenheim passiert ist.

SND: Was erwarten Sie stattdessen für dieses Jahr für den BVB?

TW: Natürlich wünsche ich mir das Triple. Und spannenderweise bin ich sogar davon überzeugt, dass die Spieler gut genug sind, einiges zu bewegen, wobei ich mir erhofft hatte, dass noch mindestens ein variabler Verteidiger kommt, der als vierter Innenverteidiger spielen und auf den Außenbahnen aushelfen kann. Aber um etwas gewinnen zu können, muss man zu allererst einmal glauben, dass man es schaffen kann und im vollen Vertrauen darauf jedes Spiel mit dieser Einstellung angehen, dass man es ganz sicher gewinnen wird. Dies gilt nicht nur für die Spiele gegen München, Leipzig, Leverkusen und Union, sondern auch gegen Paris, Mailand und Newcastle. Ganz abgesehen von Spielen gegen Köln, Bochum oder Heidenheim. Aber wenn ich mir diese sieben Teams ansehe, so glaube ich, dass alle sieben viel mehr von ihrer Stärke überzeugt sind und auch deutlich mehr Selbstbewusstsein und damit auch Selbstvertrauen ausstrahlen. Lediglich bei Union sehe ich die Situation schwierig, weil sie schon das Maximale erreicht haben, nämlich die Champions League. Bei den Eisernen erwarte ich einen Einbruch, auch, weil sich die Spielerstruktur ändert. Leverkusen erwarte ich richtig stark, weil sie einen Trainer haben, der ein absolutes Sieger-Gen vorlebt. Bereits letztes Jahr war Leverkusen in meinen Augen extrem stark, aber nur noch nicht vollständig stabil. Bayer könnte eine positive Überraschung schaffen. Beim BVB würde es mich – Stand heute – sehr überraschen, wenn er am Ende der Saison etwas Zählbares vorzuzeigen hätte. Ich erwarte den BVB – Stand heute – noch nicht einmal unter den besten vier Teams der Bundesliga, da es immer mal ein Überraschungsteam geben kann, geschweige denn im Achtelfinale der Champions League. Und dies hat absolut nichts mit dem Können und der Qualität der Spieler zu tun, sondern ausschließlich mit dem Selbstbild, dem Selbstbewusstsein, dem Selbstvertrauen und dem Selbstverständnis der Spieler bzw. der Mannschaft.

SND: Fühlen Sie sich nach den ersten drei Bundesligaspielen bestätigt, obwohl die Vorbereitungsspiele eigentlich ganz gute Ergebnisse brachten? Immerhin wurde kein Spiel verloren.

TW: Vorbereitungsspiele sind schön und gut, aber spiegeln nicht den Ernstfall wider. Dazu war z.B. Chelsea deutlich besser und hätte den Sieg verdient gehabt. Es war ein glückliches Unentschieden. Die drei Spiele zu Beginn der Bundesliga-Saison sind nahezu ein Abbild vieler Spiele in der letzten Saison. Inklusive der nachfolgenden Einschätzungen und Kommentare.

SND: Wie meinen Sie das?

TW: Schauen Sie mal die Reaktionen der Verantwortlichen und der Spieler nach vielen Spielen der letzten Saison an, z.B. nach den Spielen gegen Stuttgart, Bochum oder Schalke oder auch nach vielen Spielen der Hinrunde der letzten Saison und der Saisons davor. Und dann schauen Sie sich bitte die Aussagen nach den Spielen gegen Köln, Bochum und Heidenheim an. Sie könnten die Aussagen gegeneinander austauschen, es würde nicht auffallen. Gegen den FC Bayern kann man quasi mit null Punkten in einer Saison rechnen, hat also damit schon vor dem Saisonstart sechs Punkte Rückstand. Einfach, weil die Überzeugung fehlt, auf jeden Fall zu gewinnen. Es sind immer die gleichen Sätze, nahezu wie kopiert. „Wir können uns das nicht erklären“ oder „Wir hatten uns so viel vorgenommen“ oder „Der Mannschaft fehlt das Selbstvertrauen“ oder „Nicht jeder hat heute sein Bestes gegeben“ und so weiter. Nun kann man argumentieren, dass man kaum etwas Anderes als Spieler, Trainer oder Verantwortlicher sagen kann, aber es ist auffällig, dass sich diese Einschätzungen immer und immer wieder wiederholen. Man stelle sich vor, dass in einem Unternehmen die Mitarbeiter über Jahre hinweg immer und immer wieder die gleichen Fehler machen würden, z.B. dass ein KFZ-Mechaniker Öl in den Kühler eines Fahrzeugs schütten würde. Und dann kämen jedes Mal Einschätzungen wie „Ich kann mir das nicht erklären“ oder „Ich habe heute nicht mein Bestes gegeben“. Spätestens beim dritten Fehler dieser Art würde er entlassen werden. Im Fußball machen die Spieler oft immer die gleichen Fehler, verdienen aber viele Millionen im Jahr und müssen, wenn sie es richtig anstellen, nie wieder arbeiten. Dass den Zuschauern irgendwann das Verständnis fehlt und der Geduldsfaden reißt, ist absolut nachvollziehbar.

SND: Hätten Sie eine Idee, wie man dem BVB genau diese nach Ihrer Einschätzung fehlenden Attribute beibringen könnte?

TW: Ja, aber so etwas geht nicht von heute auf morgen. So, wie man eine Fremdsprache nicht in wenigen Tagen lernen kann, ist es auch nicht möglich, Glaubenssätze und das Selbstverständnis und das absolute Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten in wenigen Tagen oder Wochen zu verändern. So ist es z.B. ein Baustein, erst einmal herauszufinden, was die grundlegende Motivation eines jeden Beteiligten ist. Es gibt Spieler, die Titel gewinnen oder Rekorde brechen wollen, andere wollen eine Mannschaft anführen, andere wollen den Beifall der Zuschauer, wieder andere das Lob der Eltern oder von Freunden und wieder anderen geht es darum, möglichst viel Geld zu verdienen. Es ist keine gute Idee, alle Spieler mit den gleichen Worten anzusprechen und auf ein Spiel oder einen Gegner einstellen zu wollen. Auch so etwas gilt es zu berücksichtigen, insbesondere vom Trainerteam. Es ist ein Prozess, aber ganz sicher ein sinnvoller und zielführender Prozess, wenn man langfristig Erfolg haben will. Aber auch dies ist nur ein kleiner Baustein.

SND: Ok, welche weiteren Bausteine sind nach Ihrer Erfahrung unerlässlich und wichtig?

TW: Da fällt mir zuerst ein, aus den Individualisten eine Kampfeinheit zu formen, bei dem jeder den einen Schritt mehr geht, als man es oftmals sieht. Die oberste Maxime beim Fußball sollte es nach meiner Überzeugung sein, das eigene Tor zu verteidigen. Der BVB hat mit Gregor Kobel zum Glück den besten Torwart der Liga, aber er kann auch nicht alles halten. Somit ist es unabdingbar wichtig, dass alle zehn Feldspieler die Hauptaufgabe darin sehen, auf gar keinen Fall ein gegnerisches Tor zuzulassen. Ich gebe Ihnen ein sehr drastisches Beispiel. Stellen Sie sich vor, man würde allen zehn Feldspieler sagen, dass die eigene Familie bedroht ist, wenn der Gegner ein Tor erzielt. Ich weiß, es ist ein sehr drastisches Beispiel, aber man versteht, was ich sagen möchte. In solch einer Situation würde jeder Spieler rennen und kämpfen bis zum Kreislaufkollaps, um auf jeden Fall ein Tor des Gegners zu verhindern. Nun stellen Sie sich vor, eine solche Einstellung würden die Spieler bei jedem Spiel der Saison zeigen. Würde sich der BVB dann wirklich mehr als 30 Gegentore in der Saison fangen? Ich bezweifle das sehr.

SND: Was würden Sie als weiteren Baustein sehen?

TW: Eine wichtige Voraussetzung für einen gemeinsamen Erfolg ist es, einen echten Teamspirit zu entwickeln. Dissonanzen und Animositäten sind Gift für ein Team und für einen nachhaltigen Erfolg. Dies gilt übrigens nicht nur innerhalb der Mannschaft, sondern auch im zwischenmenschlichen Bereich mit dem Trainerstab und auch bei den Führungskräften. Wenn z.B. in den Medien kolpotiert wird, dass es Unebenheiten zwischen dem Trainer und der Mannschaft oder zwischen dem Trainer und der sportlichen Leitung gibt, dann ist das mehr als contraproduktiv. Und zwar völlig egal, ob es stimmt oder nicht. Insofern wäre es eine unabdingbare Aufgabe, die ein Mediator zu übernehmen hätte, sämtliche Strömungen innerhalb des Kollektivs im Keim zu ersticken und ein Klima des Respekts, der Wertschätzung und eines echten Zusammenhalts zu schaffen. Ich beschreibe dies im Buch Der Counselor“.

SND: Machen Sie dann als Coach oder Mediator nicht die Arbeit des Trainers bzw. des Trainerteams? Kommt es womöglich zu Kompetenzgerangel?

TW: Nein, überhaupt nicht. Ich bin kein Fußballtrainer, sondern ein Unterbewusstseins– und Mentalitätscoach. Ich kann nicht erklären, wie man am besten in einem 4-2-3-1-System oder in einem 4-3-3-System spielt. Darum geht es mir nicht im Geringsten. Ich halte mich völlig im Hintergrund und gebe z.B.. dem Trainerteam Tipps, ohne dass es die Spieler mitbekommen. Dazu tausche ich mich mit der sportlichen Leitung aus und erarbeite Konzepte, um subliminale Botschaften ins Unterbewusstsein zu transportieren. Und zu guter Letzt arbeite ich mit den Spielern, aber so, dass sie nicht wissen, was gemacht wird und wie ich vorgehe, z.B. mit einer Motivationsdusche.

SND: Was meinen Sie mit subliminalen Botschaften? Was ist das?

TW: Subliminale Botschaften sind Informationen, die unterhalb der Wahrnehmungsgrenze übermittelt werden. Das Wachbewusstsein kann sich nicht dagegen wehren, weil es gar nicht bemerkt, dass unterschwellige Informationen an das Unterbewusste gegeben werden. Darauf basiert die komplette Werbeindustrie. Wenn Sie z.B. im Kino sitzen, erhalten Sie Unmengen an Werbebotschaften, ohne dass Sie es bewusst registrieren, z.B. sehen Sie Auto- und Getränkemarken, die Geld dafür bezahlen, dass sie ihre Produkte im Kinofilm präsentieren dürfen. Auf solchen Konzepten in Verbindung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und vielen eigenen Forschungen fusst ein guter Teil meines Wirkens.

SND: Würden Sie dem BVB helfen, wenn es „um die Wurst“ geht, wie z.B. am letzten Spieltag der Saison 2022/23 gegen Mainz?

TW: Eine schwierige Frage, weil ich zum einen ein absoluter BVB-Fan mit schwarz-gelbem Blut bin, aber auf der anderen Seite große Vorbehalte wegen der BVB-Corona-Politik habe. Aber insbesondere ist mein Wirken weniger auf einen kurzfristigen Effekt ausgerichtet, als vielmehr auf einen langfristigen und dauerhaften Effekt. Ich bin inhaltlich und emotional näher bei einem Wirken eines von mir extrem geschätzten Matthias Sammer, als bei einem Kurzzeit-Effekt eines „Feuerwehrmanns„.

SND: Vielen Dank für das interessante Gespräch und Ihnen viel Erfolg bei Ihrer „geheimen“ Arbeit.

TW: Sehr gerne und vielen herzlichen Dank.